Baumerkmale Backsteinfassade in Hamburg

Baujahrmerkmale

Villen und Stadtpalais und daneben Bauern- und Handwerkerhäuser, Baujahren bis 1920 in der Gründerzeit

Die Baujahre bis 1920 waren geprägt von der Idee des Bauens als Kunsthandwerk für die vermögenden Stände oder aber als schlichtes Obdach für die ärmeren Schichten. Dementsprechend gibt es bis heute aus dieser Zeit zahlreiche Villen und Stadtpalais und daneben Bauern- und Handwerkerhäuser in sehr viel sparsamerem Zuschnitt. Erst mit der durchgreifenden Industrialisierung nach dem Ersten Weltkrieg und den Ideen des Bauhauses begann sich ein sozialer Wohnungsbau zu entwickeln, mit neuen Gebäudezuschnitten und Fassaden. Das Thema Bauphysik spielte zu dieser Zeit praktisch keine Rolle. Im Vordergrund standen eher Ästhetik- und Repräsentationsfragen. Das heißt für Sie konkret, dass der Bereich Haustechnik (Heizung, Wasser, Abwasser, Elektroinstallationen etc.) sowie die Bereiche Wärmeschutz, Schallschutz, Kellerdichtung etc. bei Gebäuden aus dieser Zeit praktisch keine bauliche Berücksichtigung gefunden haben. Häuser aus dieser Zeit gewinnen ihren Wert eher durch die großzügige Raumaufteilung oder die kunsthandwerklichen Fassaden und weniger durch vorbildliche Bauphysik. Die häufigsten Konstruktionsweisen der Häuser bis 1920 sind Bruchsteinmauerwerkskeller, mitunter gänzlich ohne Fundamentboden, darüber eine Gewölbekellerdecke, und die weiteren Geschosszwischendecken sind dann entweder aus Holz oder aus Ziegelbetonsteinen. Das Dach ist meistens ein üppiger Holzdachstuhl ohne jede Dämmung, oft auch ohne unterlegte Dachbahnen etc. Die Treppenhäuser sind nicht selten ebenfalls aus Holz. Die Geschossanzahl übersteigt selten fünf bis sechs Geschosse. Die Haustechnik ist meist äußerst dürftig, d.h. Rohre, Leitungen und Kabel liegen in der Regel immer „auf Putz“ , sanitäre Badezimmeranschlüsse sind meist nachgerüstet, da bei Erbauung nicht selten das WC im Treppenhaus war und die Küche in der Wohnung die einzigen Wasseranschlüsse hatte. Die Heizung ist sehr oft eine Wohnungsheizung gewesen, z.B. über eine zentrale Kohlefeuerung im Flur, die alle übrigen Räume mitversorgt hat, teilweise auch über Schachtsysteme. Die Zimmer sind meistens nur mit der allernotwendigsten elektrischen Versorgung ausgestattet, das heißt maximal ein Stecker und ein Schalter pro Zimmer. Manchmal sind diese Häuser jedoch grundsaniert, bzw. sie wurden bei Kriegszerstörung mit einem anderen Komfort wieder aufgebaut.

Neue Architekturformen, Bauen mit Stahl und Glas, Bauwerken erstellt in den Jahren 1920 bis 1940

Dies ist die Zeit, in der in Deutschland u.a. das Bauhaus zunächst in Weimar und dann in Dessau für teilweise völlig neue Architekturformen sorgte. Aber auch die industrielle Baustoffherstellung sorgte für neue Möglichkeiten. In Amerika kam es zum Bau der ersten Wolkenkratzer. Neben der in dieser Zeit zunehmend entdeckten technischen Möglichkeiten des Bauens mit Stahl und Glas, von der aber der Einfamilienhausbau weitestgehend ausgenommen blieb, gab es neue Ansätze des Bauens praktisch nur im ästhetisch- architektonischen Bereich, aber kaum irgendwo im Bereich der Bauphysik. Im Gegenteil wurden aufgrund des Experimentierens mit teils neuen Materialien viele Baufehler gemacht. Auch bei Gebäuden aus dieser Zeit können Sie kaum mit Bauweisen oder Details rechnen, die bauphysikalisch den heutigen Erkenntnissen entsprechen. Ab ca. 1920 gab es erstmals sozialen Wohnungsbau, bei dem die Räume insgesamt kleiner und niedriger wurden. Sie wurden häufig nur nach der unbedingt notwendigen Funktion ausgelegt. So entstanden in der Römersiedlung in Frankfurt am Main erstmals Einbauküchen, die später weltbekannte „Frankfurter Küche“, die aber sehr klein ist und nur für den funktionalen Kochvorgang ausgelegt war, nicht für gemütliches Zusammensitzen, wie man es aus größeren Wohnküchen der Gründerzeit kennt. In diesen Baujahren finden sich auch erste Keller mit Betonfundament und auch Betonzwischendecken. Das Außenmauerwerk war zumeist noch dick, aber einschalig ausgemauert. Die Dächer waren weniger voluminös, mitunter wurden Sie sogar gänzlich durch Flachdächer ersetzt. Die Treppenläufe waren mehr und mehr durchgängig aus Stein. Auch hier überstieg die Geschossanzahl selten die Marke von 5 bis 6. Das Badezimmer hielt Einzug in die Wohnungen. Auch das WC fand sich nun zunehmend in der Wohnung selbst und nicht mehr im Treppenhaus und wurde nicht selten kurzerhand mit dem Bad in einem Raum zusammengelegt. Rohrleitungen waren zumeist noch „auf Putz“ verlegt. Die Wohnungen wurden teilweise erstmals zimmerweise beheizt, über kleine Kohle- bzw. Ölöfen. Die Elektroausstattung erreichte ebenfalls alle Räume. Der Balkon bzw. die Loggia als Bauform tauchte erstmals nutzergerecht auf, das heißt sie war auch wirklich nutzbar, weil sie groß genug ist, um z.B. einen Liegestuhl oder einen Tisch mit Stühlen aufzustellen.

Nachkriegsbauten Baumerkmale, Bauschäden von Gebäuden in den 1950er Jahren

Die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt von Gebäuden, die schnell und ohne große Materialverfügbarkeiten wiederaufgebaut werden mussten. Auch bei diesen Gebäuden findet sich außer der Statik kaum irgendwo eine an bauphysikalischen Erkenntnissen ausgerichtete Planung und Ausführung. Oft war hier die Not der Stunde der eigentliche Architekt. Aus diesem Grund wurde als Baustoff auch verwandt, was zu finden war, häufig natürlich Schutt. Keller erhielten einfache Betonfundamente, Wände wurden nicht selten aus Ziegelsplitterbeton gefertigt, Zwischendecken waren entweder aus Ziegelbetonstein oder aus Kiesbeton. Die Dachstühle waren oft sehr einfache Holzdachstühle mit direkter Ziegelauflage. Die Treppenhäuser wurden betoniert und zumeist mit einfachem Naturstein belegt. Die Geschossanzahl überstieg noch immer selten für bis sechs Geschosse. Die Sanitärversorgung mit Rohren und Anschlüssen lag meist noch „auf Putz“. Einzelne Gasöfen in den Zimmern wurden über ein zentrales Leitungssystem mit Gas versorgt. Die Elektroversorgung wurde manchmal kreuz und quer über die Wände verlegt und nach wie vor sparsam ausgelegt. Die Gasheizungen fand Einzug in den Wohnungsbau. In den späten 1950er Jahren, mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Westdeutschland, kam es dann zu ersten auch bauphysikalisch neuen Schnitten im Hausbau: Beton wurde stärker eingesetzt, erste Zentralheizungen entstanden und auch erste Schalldämmmaßnahmen wurden ausgeführt. Badezimmer waren ab dieser Zeit in allen Wohnungen vorhanden.

Der Siegeszug des Betons begann: Wendepunkt in der Baukultur, Baumerkmale in den 1960er bis 1970er Jahren

Die 1960er Jahre bedeuteten einen entscheidenden Wendepunkt in der Baukultur Westdeutschlands. Der Siegeszug des Betons begann. Das Flachdach wurde zu einer bestimmenden Bauform, die Gebäudekomplexe wurden erheblich umfangreicher und größer. Große Einkaufszentren und Parkhäuser entstanden. Im Einfamilienhausbereich wurde der Bungalow zu einer beliebten Bauform. Beton hielt auch hier Einzug und wurde insbesondere im Kellerbereich eingesetzt. Auch erste Kellerdrainagen wurden gelegt. Aber auch Haustechnik und Bauphysik erfuhren hinsichtlich Schallschutz, Wärmedämmung und Klima-bzw. Heizungsinstallation erstmals Beachtung und wurden bundesweit angewandt. Die 1970er Jahre setzten den Bauboom der 1960er Jahre fort. Schallschutz und technische Ausrüstung der Gebäude wurden weiter verbessert. Hauptenergieträger war jetzt nicht mehr, wie in den 1950er Jahren, die Kohleheizung, sondern die Ölheizung. Während der großen Ölkrise 1974 begann ein langsames Umdenken. Die Gasversorgung wurde vorangetrieben, aber auch erste Überlegungen zur Fernwärmeversorgung wurden angestellt. Fertighäuser kamen Zug um Zug auf den Markt und boten erstmals eine völlig neue Möglichkeit des Einfamilienhausbaus. In Ostdeutschland wurde in dieser Zeit der Plattenbau vorangetrieben, der von einer schlechten Bauqualität hinsichtlich Haustechnik und Bauphysik war. Im Vordergrund stand der Gedanke der Wohnraumfabrikation, nicht der Gedanke der Wohnqualität. Im Einfamilienhausbereich blieben viele Häuser in staatlichem Besitz. Aufgrund der schwierigen ökonomischen Verhältnissen wurden viele Altbauten zwar nicht durch Neubauten ersetzt, allerdings wurden kauf Modernisierungs- oder gar Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Dies führte zu einem flächendeckenden Verfall der Gebäudesubstanz in ganz Ostdeutschland.

Ökologischen Sichtweisen, „intelligente Fassaden“, Niedrigenergiehausbauweisen, Passivhäusern 1980er Baujahre bis heute

Die 1980er Jahre markieren im Baubereich nochmals einen entscheidenden Einschnitt. Man wandte sich von den oft sehr klobigen Betonbauten der 1960er und 1970er Jahre teilweise ab und betrieb eher wieder eine „menschliche“ Architektur, die aber auch Haustechnik und Bauphysik zu einem ganz wesentlichen Bestandteil der Planung machte. Man orientierte sich hier erstmals auch an ökologischen Sichtweisen bezüglich Materialwahl und Konstruktion. Niedrigenergiehausbauweisen setzten sich gegen Ende der 1980er Jahre ebenso durch, wie in den 1990ern die Verbreitung von Passivhäusern begann. In der Haustechnik kamen erstmals Solarmodule zum Einsatz. Im Bürobau wurden „intelligente Fassaden“ entwickelt, die selbstständig auf Außenklima und – Temperatur reagierten. Für das 21. Jahrhundert werden vollkommen neue Haustechniken prognostiziert, so u.a. der Einsatz von Brennstoffzellen zur Raumheizung und neue Kommunikationstechnologien, mit denen es möglich sein soll, auch von einem fernen Urlaubsort aus das eigene Haus rund um die Uhr zu steuern und zu überwachen.